Sehen wollen
Etwas tritt in unser Leben, indem wir es sehen und sehen wollen. Dadurch kann es auf uns wirken. Wollen wir diese Einwirkung verhindern, sehen wir weg. Der Satz „Schau mich an, wenn ich mit dir rede!“ bezieht sich auf diese Wirkung des Angesehenwerdens – nur dann ist eine Tür zum anderen geöffnet. Jemanden ansehen gibt ihm Bedeutung, verleiht ihm Kraft. Ein Mensch hat dann ein ‚Ansehen‘, eine familiär und gesellschaftlich gesicherte Position mit Einfluss und Gewicht. Die Wertigkeit besteht im ‚Ansehen‘. Wenn wir uns nicht gut fühlen, uns womöglich sogar schämen, wollen wir nicht gesehen werden, sondern uns verbergen. Der alternde Weltstar Marlene Dietrich zog sich die letzten 11 Lebensjahre in einer Pariser Wohnung zurück. Es erschienen manchmal Fotos einer Frau mit riesiger Sonnenbrille, Kopftuch und weitem Mantel. Man hatte dann eine Schlagzeile – dass man Marlene Dietrich entdeckt – sie gesehen – hatte.
Familienstellen funktioniert durch die Entscheidung, etwas zu sehen, was bisher außerhalb der Vorstellung und der Wahrnehmung lag und anscheinend eine diffuse und zerstörerische Kraft entfaltet. Sehen wollen, was bisher verborgen, geheim und womöglich mit einem Tabu belegt ist, verändert die Lebensperspektive. Wir können uns nichts mehr vormachen, nichts mehr „schönreden“, sondern stellen uns der gefürchteten Wirklichkeit. Indem wir anderes sehen, werden wir anders.
Wir sehen ein, dass der eigene Lebenslauf sich aus vielen nicht geplanten Begebenheiten zusammensetzt. Es sind epigenetische Prägungen, die uns teilweise wie in den Bann ziehen und neues schuldhaftes Verhalten verursachen. Biblische Familiengeschichte zeigt die furchtbaren Auswirkungen des Ungehorsams gegenüber Gottes Gebot. Wenn die sündhafte Natur des Menschen gewinnt, steht er am Abgrund fortwährenden Leidens. Wollen wir diese biblische Wahrheit sehen?
Wollen wir sehen, dass wir ohne den Segen Gottes verloren sind? Wollen wir den Preis für diesen Segen einsehen?